
E DAS IRDISCHE DASEIN
Bietschhorn vom Furkapass

E Das irdische Dasein
Kapitel D war überschrieben mit « eine andere Sichtweise». Die Konsequenz dieser «anderen Sichtweise» lag in der Zurückweisung abstrakter Erklärungsversuche, die ich als ausgesprochen unwissenschaftlich bemängeln musste. Mir ging es dabei nicht darum, pedantisch auf Fehlerhaftem herumzureiten oder zu kritisieren, sondern mir ging es um die Gesinnungsart, aus der solche Erklärungsversuche hervorgehen. Wäre die beschriebene Gesinnungsart heute Allgemeingut, bräuchte ich hier nicht weiter zu schreiben.
Um diese Gesinnungsart zu begegnen, muss ich eine radikal andere Richtung einschlagen. Meine bisherigen Ausführungen haben spürbar gemacht, dass sie uns immer mehr einengten, uns immer mehr einschränkten. Unser Dasein besteht aber nicht nur aus dem Mineralischen und Geologischen. Wir müssen dieses Wissen in einen größeren Zusammenhang stellen, wenn wir uns nicht selbst verlieren wollen. Wir laufen Gefahr, den Menschen, den Schöpfer dieses unermesslichen Wissens, zu verlieren.
Wie manifestiert sich das irdische Dasein?
Wir unterscheiden: das Mineralreich, das Pflanzenreich, das Tierreich und das Reich der Menschen. Wenn ich sie getrennt aufführe, soll man sich bewusst sein, dass sich jedes Naturreich - vom Mineralreich ausgehend - immer erweitert, die Naturreiche durchdringen einander und bilden gemeinsam eine Einheit.
E1 Mineralreich: Das Mineralreich umfasst alles "Mineralische". Es besteht aus den vier Elementen: Erde, Wasser, Luft und Feuer. Die Steine gehören dem Erdenelement an. Die im Mineralreich wirkenden Gesetze sind die Gesetze der Kausalität.
E2 Pflanzenreich: Das Pflanzenreich umfasst alles Vegetative. Es bildet Organismen, die vom Leben durchdrungen sind. Sie besitzen über ihre physische Erscheinung hinaus einen Lebensleib. In dem Lebensleib sind die Gesetze des Wachstums, der Fortpflanzung, der Evolution und so fort wirksam. Diese Gesetze sind nicht kausal erklärbar, sie sind von Bedingungen abhängig. Bedingungen, die in ihrem Organismus und in der ihr umgebenden Welt zu finden sind.
E3 Tierreich: Die Tiere haben einen physischen Leib, der von Vitalkräften durchdrungen ist. Zudem sind die Tiere mit Sinnen begabt. Sie verinnerlichen Sinneseindrücke, die sie aus ihrer Umwelt und ihrer Leibesfunktionen empfangen. Ihre Sinneseindrücke bewirken Freude und Schmerz, Hunger und Durst. Dadurch besitzen sie zu ihrem physischen - und ihrem lebendigen Leib noch einen Empfindungsleib. Ein Empfindungsleib hat sowohl das Tier als auch der Mensch. Doch unterscheidet sich die Sinneswahrnehmung des Tieres von den Sinneswahrnehmungen des Menschen.
E4 Sinneswahrnehmung beim Tier und beim Menschen: Der Mensch vermag die Sinnesempfindungen als "ein innerliches Gegenstück" zu den Wahrnehmungen zu erleben. Das Tier dagegen ist ganz Freude, ist ganz Schmerz, sobald seine Sinne diese Empfindungen in ihm wachrufen. Er ist diesen Eindrücken ausgeliefert. Der Mensch erfährt das "Ausgeliefert-Sein" in Extremfällen. Normalerweise beobachtet der Mensch, wie die Empfindung spricht. Durch sein Ohr vernimmt er ein Geräusch, auch das Tier wird diesem Geräusch gewahr. Beim Menschen kann das Geräusch zum Klangerleben werden, ja es kann zum Erleben der Musik werden. Durch das Auge beobachtet der Mensch Farben, auch viele Tiere können Farben unterscheiden, aber beim Menschen können Farben zu einem Bild und zum Erlebnis der Malerei werden. Die Kunst ist uns Menschen durch die Sinne zugänglich. Beobachtet der Mensch was die Kunst in seinem Innern wachruft, so findet er Zugang zur Ästhetik. Diese Qualitäten kann sich nur der Mensch bewusst machen, das Tier nicht.
E5 Die menschliche Individualität: Die menschliche Individualität ist einmalig. Das Jahr, der Tag und die Zeit ihrer Geburt, verbunden mit dem Geburtsort, den Eltern und dem sozialen Umfeld unterstreichen ihre Einmaligkeit. Schauen wir auf ihre Lebensspanne, so endet diese mit dem Ereignis des Todes. Ihre Biographie geht dann in die Geschichte ein als eine einmalige Geschichte. Eine Geschichte, die geprägt wurde von ihrem individuellen Denken, Fühlen und Handeln.
E6 Übersinnliche und untersinnliche Welten: Was alles in der Welt webt und lebt, ist nicht mit den obigen vier Naturreiche erschöpft. Der Mensch ist auch Bürger einer untersinnlichen und einer übersinnlichen Welt. Diese beide nicht-sinnlichen Welten sind mit den Naturreichen wie mit uns Menschen verwoben.
Zu den untersinnlichen Kräften gehören u.a. die Elektrizität, der Magnetismus, die Strahlung und die Atomkraft. Durch Wissenschaft und Technik kann der Mensch die untersinnliche Welt benutzen und manipulieren.
Die Beobachtung der übersinnlichen Welt vermag der Mensch durch besondere Empfindungen wie durch Imagination, Inspiration und Intuition zu erforschen. Durch die Intuition zum Beispiel ist er unmittelbar mit dem Reich des Geistes verbunden. Ich meine hier mit Intuition nicht das oberflächlich zufällige Gedankenspiel, bei dem einem so manches in den Sinn kommt, ich meine mit Intuition: das bewusste Erleben eines rein geistigen Inhaltes. Das Beobachten, Erleben und Beurteilen dieser nicht-sinnlichen Welten ist eine Herausforderung. Meine Ausführungen geben da keine abschliessenden Schlussfolgerungen. Sie mögen aber den Boden für eine neue Verständigung abgeben.
Warum gab ich diese Einteilung?
Die Bereiche des irdischen Daseins sind knapp charakterisiert. Sie sind wie eine Orchester-Partitur. Was auf der Partitur sauber getrennt aufgeführt ist, erklingt in der Symphonie zusammen. So ist es auch mit dem irdischen Dasein. Wir müssen uns bemühen, die einzelnen Bereiche nicht durcheinander zu bringen, damit aus dem Zusammenwirken der Kräfte keine Kakophonie entsteht. Für unerklärliche Zusammenhänge werden aus Bequemlichkeit allzu oft Erklärungen erfunden, die einfach so sinnlos sind, wie das «Fondue» im Erdinneren wie das Entladen des «Alpen-Lastkahns» (siehe Kap. D). Wer von der «Seele» eines Steins spricht, wer die Wirkung eines Gesteins als «Schwingung» bezeichnet oder wer den Ausdruck «elektromagnetische Frequenzen» für nicht wahrnehmbare Kräfte wählt, der sollte lieber zu seiner Unkenntnis stehen, als Unsinn zu verbreiten. Der gesunde Menschenverstand weiss, dass der Stein anorganisch ist und keine Seele haben kann. Schwingungen und Frequenzen sind physikalisch nachweisbar, auch dann, wenn bestimmte Frequenzen für unsere Sinne nicht wahrnehmbar sind. Oder jemand phantasiert über schöne und hässliche Kristalle in der Weise, dass in den schönen Kristallen die Elementarteilchen in Harmonie schwingen, in den hässlichen aber in Disharmonie. Hier wird eine neue Welt erfunden, die der Atomtheorie widerspricht. Möglicherweise wollte man damit auf etwas anderes hindeuteten. Versucht man dem Phänomen des Dialogs mit Steinen auf die Spur zu kommen, versperrt der pseudowissenschaftliche Diskurs den Zugang.