6  UNTER DER ERDKRUSTE

6.1  Formende Kräfte unter der Erdkruste

Aufwölbung und Hebung der Erdkruste

Die Erdkruste ist an der Oberfläche fest und kalt. Doch mit zunehmender Tiefe steigt die Temperatur deutlich an. Dieses Phänomen ist nicht nur Bergleuten bekannt, sondern auch Autofahrern, die durch den Gotthardtunnel ins Tessin fahren: In der Mitte des Tunnels erreicht die Temperatur über 30 °C, im Gotthard-Basistunnel (Eisenbahnstrecke) sogar über 40 °C.

Die Temperaturzunahme mit der Tiefe ist jedoch regional unterschiedlich – man vergleiche etwa die Alpen mit Island. Diese Unterschiede sind für die Geologie von großer Bedeutung.

Kennt man die lokale Temperaturzunahme, lassen sich Rückschlüsse auf die Tiefe ziehen, aus der bestimmte Gesteine stammen. Im Labor können die Bildungsbedingungen von Gesteinen untersucht werden – etwa mit sogenannten Geothermobarometern, die Temperatur und Druck zur Zeit der Gesteinsbildung abschätzen (siehe Seite 15, 2.2 und 2.3, u.a. Geothermobarometer).

Ab einer bestimmten Tiefe wird das Gestein durch die hohen Temperaturen und Drücke plastisch verformbar – es ist dann duktil. Diese Zone nennt man Asthenosphäre, sie bildet den oberen Teil des Erdmantels. In der Asthenosphäre bewegen sich Gesteinsmassen langsam, was zu großräumigen geologischen Prozessen führt (Seite 16).

Durch die Hebung und Aufwölbung der Erdkruste im Verlauf der Alpenbildung wurden Gesteinsschichten, die einst in Kontakt mit der Asthenosphäre standen, bis an die Erdoberfläche gehoben. Diese ehemals plastisch verformten Gesteine sind heute erstarrt und können an der Oberfläche betrachtet und untersucht werden.

Ein eindrucksvolles Beispiel für solche gehobenen Gesteinsformationen sind die Helvetischen Decken. Sie bestehen aus Sedimentgesteinen.

Auf der Landkarte erkennt man die Helvetischen Decken als ein breites Band, das sich nördlich an das kristalline Aarmassiv anschließt und von Sion im Wallis bis zum Säntis in der Ostschweiz reicht.

Ich habe hier zur Orientierung die Helvetischen Decken in "etwa" eingezeichnet.


v.l.n.r. Kalkstein, Prodkammfalte (Flumserberg, SG), (2x) Schieferformation (Sufers-Splügen, GR), Kalkstein (Brienz, BE)


v.l.n.r. Serpentinit (Clemgiaschlucht, GR), (2x) Kalk (Splügenpass, GR), Kalk, Giesbachfälle (BE)


v.l.n.r. Serpentinit (Riffelsee, VS), Kalk (Sichelkamm, SG), Kalk ob Iseltwald, BE. 


v.l.n.r. Kalk (Brünnelistock, GR), Schiefer (Sufers, GR), Gneis (Sustenpass), Tessiner Gneis (Valle di Peccia)                       Sehen Sie, wie sich beim Brünnelistock die Kalkschichten in den Himmel weiter fortsetzen! Da war mal mehr vorhanden und was ich hier sehe ist ein Fragment eines viel grösseren Komplexes.

Dass wir diese Vielfalt an Faltungen heute an der Erdoberfläche sehen, sagt zweierlei aus:

1. Wir haben eine gewaltige und beständige Hebung (Aufwölbung) der Alpen.

2. Durch eine gewaltige Erosion wurden Kilometer dicken Erdschichten abgetragen. Sie wurden gegen Süden in der Poebene und gegen Norden in dem Rheintalgraben abgelagert. 

Mit diesen letzten drei Bildern will ich dieses Thema abrunden. (Bild links) 1966 erstieg ich das Oldenhorn. Es ist über 3000 m. hoch. Als wir unseren Fuss auf den Gipfel setzten, da lagen lauter Kalksteine mit winzigen Fossilien. Wir hatten auf über 3000 Meter Meeresbodengestein unter uns! Eingekreist habe ich das Nägelihorn. Achten Sie auf diesen Schwung, diese Drehung der Gesteinsmassen. (Bild Mitte) Das Schlauchhorn ragt im Süden ¨über Gsteig hoch hinaus. Ich habe diesen Berg fünf mal bestiegen. Dieses Bild hat Toni Labhart vorne auf seinem Buch abgebildet. Ich habe es nachgezeichnet, weil auch hier die Bewegungsdynamik der Gesteinsmassen so schön sichtbar wird. (Bild rechts) Das Kleinhörnli liegt östlich von Gsteig. Beachten Sie die Kalksteinschichten, die unten in der Erde gedreht und senkrecht gestellt wurden.


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