1 NOMENKLATUR
1.2b Eine kleine Übung

In meinen Beiträgen gibt es viele Bilder (Fotos und Skizzen). Sie sind nur ein Mittel, um die Leser an Bild-Inhalte heranzuführen. Die Wirklichkeit liefern diese Bilder nicht. Sie geben dem Leser nur die Möglichkeit, durch Eigen-Beobachtung den Schlüssel zu verborgenen Inhalten zu finden. Den Erkenntnis-Akt kann nur jeder selbst vollziehen, der kann nicht «mitgeliefert» werden. Deshalb möchte ich an dieser Stelle eine kleine Übung einfügen. Schauen Sie sich das nebenstehende Bild an. Wenn ich sagen würde: "Hier sehen Sie einen Granat (Almandin), der schön rot glänzt und der die Form eines Rhombendodekaeders hat", dann wäre das ein Bildchen mit einer Etikettenunterschrift. Man nimmt es zur Kenntnis und meint es «gesehen» zu haben. Bilder mit Unterschriften dieser Art sind schlichtweg illusorisch. Warum?
Weil man sich mit dem Inhalt gar nicht verbunden hat. Wer meint, auf dem Bild einen Raumkörper zu erkennen, muss sich bewusst machen: Dieses Bild ist zweidimensional und die abgewandte Seite des vermeintlichen Körpers ist gar nicht zu sehen.
Als ich den Granat zum ersten Mal in den Händen hielt, musste ich ihn drehen und wenden. Dann zählte ich die Flächen, die das Volumen begrenzten. Alle Flächen waren rhombenförmig. Ich zählte 12 Flächen und sie «passten» alle zusammen, ohne Unterbruch. Ich kam zu dem Schluss: Dieses Gebilde ist ein «Zwölfflächner» und deshalb darf ich es ein Dodekaeder nennen und weil die Flächen alle rhombenförmig sind, ist der Ausdruck «Rhombendodekaeder» für diesen Raumkörper zutreffend. War das schon alles? Noch lange nicht! Ich betrachtete ihn weiter. Verfolgte ich die hell-aufleuchtende Kante (siehe oberes Bild) nach oben bis zur Spitze, so formten die Kristallspitze drei rhombenförmigen Flächen. Verfolgte ich dieselbe Kante nach unten, so erhielt ich eine Kristallspitze, die aus vier rhombenförmigen Flächen gebildet war. Als ich alle Kanten darauf prüfte, da stellte ich fest, dass diese eine Beobachtung für alle Kanten galt. Für alle 24 Kanten und alle 14 Spitzen gilt dieser rhythmische Wechsel wie ein Gesetz. Zusammenfassend kann ich sagen: An sechs der Kristallspitzen grenzen vier Kanten (oder Flächen) und an acht der Kristallspitzen grenzen drei Kanten (oder Flächen).
Alles, was ich zu diesem Bild gesagt habe, war kein willkürliches «Geschwätz», sondern eine klare Betätigung des Denkens, die jeder, der diese Beschreibung folgt, nachvollziehen und bestätigen kann. Alles, was ich über das Bild sagte, entstammte nicht dem Bild, sondern der denkenden Betrachtung des Bildes.
Begriffe haben universelle Werte (die Flächenanzahl, die Form der Flächen, die Kantenverläufe und Kristallspitzbildungen). Sie verbinden sich nicht willkürlich mit dem Wahrnehmungsobjekt. Durch den Erkenntnisakt werden sie spezialisiert. Sie vereinigen sich mit dem Beobachtungsobjekt in einer individualisierten Form und diese individualisierte Form nenne ich meine Vorstellung vom Objekt.
Die Quintessenz dieser Ausführung ist für den gesamten Verlauf meiner schriftlichen Ausführungen wesentlich.
Habe ich in dieser kleinen Übung irgendwo ein Messgerät benutzt? Habe ich Daten verarbeitet? Sie können meine Schilderungen überprüfen und können sie bestätigen. Die Quelle meiner Schilderungen entstammt weder der sinnlichen Wahrnehmung noch ist sie von einem Wissenschaftszweig vorgegeben und von mir nacherzählt. Die Quelle ist unser Denken, es ist die Fähigkeit durch Intuition die universelle Gedankenwelt mit der konkreten Wahrnehmungswelt zu verbinden.

Rhombendodekaeder aus Eichenholzfurnier. Alle Ansichten sind verschieden und doch ist alles der gleiche Körper.
Wer angeregt durch diese Ausführung die Gestalt des Granats (Rhombendodekaeder) besser verstehen will, gelangt vielleicht anhand der obenstehenden Bilder zu einer besseren Vorstellung dieses Raumkörpers.